Restaurierung des Rathauserkers auf der Zielgeraden

Experten überzeugt: Torgauer werden staunen, wenn die Rüstung in Kürze fällt
Vor gut einem Jahr begannen die Restauratoren Christiane Laubert und Steffen Marko mit der aufwendigen Sanierung eines der bedeutendsten Bauteile des Torgauer Rathauses: dem reich geschmückten Erker an der Südostecke des südlichen Querbaus, dem sogenannten Trinkstubenanbau. Dieses Prunkstück der Renaissancearchitektur wurde seinerzeit von Caspar Reinwald ausgeführt, die eindrucksvollen Reliefs, Wappen und Figuren stammen aus der Hand des Pirnaer Bildhauers Andreas Buschwitz.
Nun befinden sich die Arbeiten mit einem finanziellen Gesamtumfang von rund 388 000 Euro in ihrer Endphase. Dank Fördermitteln in Höhe von 258 000 Euro aus dem Städtebauprogramm „Lebendige Zentren“ und einer Zuwendung aus einem privaten Vermächtnis von 100 000 Euro, muss die Stadt Torgau lediglich 30 000 Euro aus der eigenen Stadtkasse aufwenden.
Der Erker, ein herausragendes Zeugnis bürgerlicher Repräsentationskultur des 16. Jahrhunderts, zeigt in drei reich verzierten Reliefbrüstungen unter anderem eine Tafel mit einer Huldigungsinschrift. Diese wird flankiert von den Darstellungen des Bauherrenehepaares sowie ihren jeweiligen Wappen. Gerade diese detailreiche Gestaltung stellte für die Restauratoren eine außergewöhnliche Herausforderung – und zugleich einen Glücksgriff – dar. Mit großer Freude und Leidenschaft widmeten sich Laubert und Marko der Aufgabe, diesen kunst- und kulturhistorisch bedeutenden Erker wieder in seinen ursprünglichen Glanz zu versetzen.
In einigen Bereichen war es höchste Zeit für Maßnahmen – stellenweise war es sprichwörtlich „fünf vor zwölf“. So waren Teile des Erkers noch mit einer dicken Silikatfarbschicht überzogen, vermutlich aufgebracht in den 1960er Jahren. Wahrscheinlich sollte damals die bereits stark angegriffene Bausubstanz optisch stabilisiert werden. Doch diese Schicht verdeckte viele Details und schädigte langfristig das darunterliegende Material. Die Restauratoren fanden zahlreiche stark verwitterte Oberflächen, Fehlstellen und Ergänzungsbedarfe vor. Einige Steine mussten vollständig ersetzt werden. Zudem wurden Fehler in der Heraldik identifiziert und fachgerecht korrigiert.
Zurzeit arbeiten die Spengler an der Ausstattung der Simse mit Metallabdeckungen, um künftig ein besseres Abfließen des Regenwassers zu gewährleisten und so weiteren Schäden an der Bausubstanz vorzubeugen. Nach Abschluss dieser Arbeiten folgen noch letzte farbliche Retuschen durch die Restauratoren. Dabei kamen – nicht zuletzt zur Veredelung einzelner Elemente – insgesamt rund 350 Blätter Blattgold zum Einsatz.
Trotz der langen Restaurierungsdauer – beinahe ein ganzes Jahr – berichten Laubert und Marko begeistert, dass der Erker immer wieder neue Überraschungen bereithielt. Besonders bemerkenswert: In ganz Deutschland sind nur noch wenige Runderker an historischen Gebäuden erhalten. Der Torgauer Erker ist nicht nur wegen seines guten Erhaltungszustandes, sondern vor allem aufgrund seines bildhaften Reichtums und der zahlreichen liebevollen Details ein außergewöhnliches Beispiel dieser Bauform. Er zeugt vom Selbstbewusstsein des aufstrebenden Bürgertums, das sich solche repräsentativen Erker einst leisten konnte – und wollte.
Die beiden Restauratoren blicken mit großer Zufriedenheit auf das Projekt zurück. Für sie war die Arbeit am Torgauer Erker nicht nur eine fachliche Herausforderung, sondern auch ein ganz besonderes Vergnügen. Sie sind gespannt, wie die Torgauer auf das verbesserte Erscheinungsbild des Erkers reagieren werden.